Seit unserer Wandertour sind inzwischen über zwei Wochen vergangen und ich habe ganz andere Sachen erlebt, die überhaupt nichts mit Wandern zu tun haben. Trotzdem gehen mir die Tour und vor allem ihr vorzeitiges Ende immer noch nach. Deshalb will ich hier mal Bilanz ziehen.
Also …
… würde ich es wieder machen? Absolut ja!
… würde ich Dinge anders machen? Teilweise ja!
… habe ich etwas draus gelernt? Ja!
… war es insgesamt eine gute Erfahrung? Ja …
… aber …
Das „Aber“ entsteht natürlich vor allem dadurch, dass Aufgeben nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört. Wenn ich etwas nicht beende, mir eingestehen muss, dass ich es nicht schaffe oder ich nicht weiterkomme, fühlt sich das immer an wie Versagen und mein Ego ist nur noch ein einziger Scherbenhaufen.
Die Entscheidung, am Tag 5 die Wanderung zu beenden, heimzufahren und meine Schwester allein weiter laufen zu lassen, ist mir unglaublich schwergefallen. Mir war absolut klar, dass sie – objektiv betrachtet – die richtige war, trotzdem hat sich mein Ego mächtig quer gestellt. Das wunderschöne Frühstück, das ich im Lieblingscafé in Bregenz beim Warten auf mein persönliches Taxi zu mir nahm, konnte ich überhaupt nicht genießen und auch das tolle Basilikum-Eis war kein Trost. Den Rest des Tages war ich entsprechend kaum ansprechbar bzw. mit der Versorgung meiner Blasen beschäftigt, meine Füße waren echt am Ende. Zum Essen im heimlichen Lieblingsrestaurant bin ich abends einfach barfuß gegangen. Der Arzt, den ich am nächsten Tag zur Sicherheit aufsuchte, wunderte sich sehr über die Stelle der Blasen, er dachte, sie seien durch das Laufen mit Flipflops entstanden… Er empfahl Ruhe, Jodlösung und Luft. Also verbrachte ich die nächsten beiden Tage quasi durchgehend auf der Couch. Als Dauertätigkeit finde ich das immer total anstrengend, nach zwei Tagen Untätigkeit hatte ich echt Rückenschmerzen. Glücklicherweise erzielte es aber die erhoffte Wirkung und die Blasen heilten gut ab. In den folgenden Tagen habe ich dann Strecken bei Erledigungen vor Ort statt mit dem Rad einfach zu Fuß in den neuen Wanderschuhen zurückgelegt, um diese weiter einzulaufen, denn die Idee, die letzten beiden der geplanten Etappen in der nächsten Zeit noch zu machen, steht ja irgendwie im Raum.
Im Rückblick kommt es mir so vor, dass ich von den 70 gewanderten Kilometern ungefähr drei beschwerdefrei gelaufen bin, nämlich die am Anfang. Naja, und vielleicht die fünf am Tag 4, als die Ibuprofen wirkte. Dadurch war ich während der Wanderung gedanklich permanent mit meinen Füßen beschäftigt. Es blieb z.B. gar kein Raum mehr, zu spüren, ob die 13kg des Rucksacks nun schwer waren oder ob das Laufen sich auch auf andere Bereiche des Körpers auswirkte. Ich war wirklich sehr beschränkt auf diese Schmerzen. Dadurch hab ich leider auch wenig des Weges wirklich wahrgenommen.
Was ich aber als wirklich großartige Erfahrung mitnehme, ist die Erkenntnis, wie wenig Sachen man eigentlich braucht. Das Packen am Morgen war innerhalb weniger Minuten erledigt, ich musste keine schwierigen Entscheidungen treffen, was ich anziehen will, es passte alles wunderbar in den Rucksack. Mindestens für das Reisen hoffe ich, dass ich mir diesen Minimalismus erhalten kann. Im Alltag … mal schauen.
Letztlich frage ich mich natürlich noch immer, wie es dazu kommen konnte, dass sich so massiv und an so seltsamen Stellen Blasen entwickelt haben. Eine Antwort auf diese Frage bleibt natürlich spekulativ und letztlich war es vermutlich eine Verknüpfung unterschiedlicher ungünstiger Ursachen.
Natürlich waren meine Wanderschuhe nicht neu und sie waren auch eingelaufen. Ich habe sie den ganzen Winter über getragen und war in diesem Jahr auch schon wandern. Aber im Vorfeld unserer Wanderung war ich nicht mehr unterwegs. Meine Schwester kam aus ihrem Wanderurlaub in Österreich zu uns. Sie war zwei Wochen lang wandern und hatte auch das Tragen des Rucksacks traninert. Meine letzte Wanderung vor unserem Start lag zehn Wochen zurück. Vielleicht hätte ich also im Vorfeld mehr trainieren müssen.
Meine Füße scheinen sich außerdem verändert zu haben in der letzten Zeit. Ich habe mir sagen lassen, dass das etwas ist, was tatsächlich mit dem Älterwerden passiert. Außerdem laufe ich in der letzten Zeit nur noch barfuß oder in Barfußschuhen, was die Füße ja ebenfalls verändern kann. Zu Beginn der Wanderung hatte ich den Eindruck, dass meine Schuhe plötzlich zu eng waren. Außerdem habe ich eine Stelle unter dem Fußballen, an der mal eine Warze gesessen hat und auf der sich ständig eine dicke Hornhaut bildet. Diese hätte ich vielleicht behandeln sollen, damit sie vor der Wanderung weggeht.
Temperaturen von locker über 30 Grad und nur ebene Wege mit viel Asphalt auf den ersten Etappen haben vermutlich weiter dazu beigetragen, dass meine Füße unerwartet schwer gelitten haben, aber zumindest diese beiden Aspekte hatte meine Schwester ja auch zu bewältigen.
Was habe ich also gelernt und was würde ich anders machen?
Ich würde definitiv im Vorfeld mehr und gezielter trainieren, eben auch mit dem schweren Rucksack. Außerdem würde ich nicht wieder ohne Sport-Tapeverband, Vaseline, Blasenpflaster und Betaisodona wandern. Das zweite Paar Schuhe würde ich so auswählen, dass es im Notfall als Ersatz für die Wanderschuhe fungieren kann, auch wenn der Rucksack dadurch etwas schwerer wird. Aber die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist: mehr Zeit einplanen! Durch die Vorbuchung unserer Unterkünfte und die Tatsache, dass meine Schwester ihr Zugticket heim bereits gekauft hatte, konnten wir keinen Ruhetag einplanen. Hätte ich nach dem ersten Tag einfach einen Tag die Füße stillhalten können, wäre es vielleicht gar nicht bis zu einer Entzündung gekommen.
Letztlich ist es natürlich alles „hätte, hätte, Fahrradkette“. Ich hoffe sehr, dass meine neuen Wanderschuhe ihren Zweck erfüllen und ich in ihnen nicht wieder solche Probleme bekomme. Denn ab jetzt auf solche Touren zu verzichten, wo ich grad erst auf den Geschmack gekommen und nun ja auch ausgerüstet bin, fänd ich schon extrem schade.
Sei lieber stolz auf dich, dass du so lang durchgehalten hast. Mit den Umständen konnte ja niemand rechnen. Aber ich kann dich gut verstehen. Mir würde es auch gehen wie dir. Aber es kann eben auch nicht immer alles nach Plan verlaufen.
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